Die Vorgeschichte
Der Résistancekämpfer Pierre Pranchère, der bei der Aktion „Das Begräbnis oder DIE HIMMLISCHEN VIER“ als französischer Veteran teilnahm, lud uns als Jugendunterstützer der Aktion und alle antifaschistischen Jugendlichen aus Deutschland in seine Heimatstadt Tulle ein.
Wer wir waren
Mitgefahren sind 30 junge Menschen aus Gotha, Erfurt, Bremen, Nürnberg und anderen Städten, die meisten Schüler und Auszubildende.
Wo wir waren
Tulle liegt, mitten in Franreich, in der Corrèze, einer Gegend, in der die Résistance sehr stark war. Überall ist dort die Erinnerung an die Widerstandskämpfer präsent, aber auch an die Verbrechen der Deutschen, vor allem der SS-Division „Das Reich“.
Was wir erlebten
Schon am Anfang unseres Aufenthalts in Tulle wurden wir offiziell und feierlich begrüßt vom zweiten Bürgermeister der Stadt. Wir sahen den Ort des Verbrechens vom Juni 1944, als die SS 99 Männer aus der Zivilbevölkerung erhängte. Und wir erfuhren viel über die aktuelle Lage in Frankreich.
Oft und viel konnten wir mit den ehemaligen Résistancekämpfern sprechen, über die Bedingungen ihres Kampfes, ihre Beweggründe und ihre Ansichten über die heutigen Ereignisse. Sie waren sehr schockiert, zu hören, dass in Deutschland heute Faschisten auf den Strassen und im Parlament geduldet werden.
Ein zentraler und sehr bewegender Punkt unseres Programms war die Gedenkkundgebung am Grab von Joseph Wertheim in dem kleinen Dorf Lafage. Joseph Wertheim war ein junger Deutscher aus Mannheim, der sich in Frankreich der Résistance anschloss und an der Seite von Pierre Pranchère kämpfte. Er starb mit 21 Jahren.
Wir legten an seinem Grab eine Tonschale nieder mit der Inschrift „von Jugendlichen aus Deutschland“, auf die jeder von uns einen selbst angefertigten kleinen Gedenkstein legte, und wir sangen das französische Partisanenlied „Ami entends-tu“.
Zu diesem Anlass waren viele ehemalige Résistancekämpfer gekommen, die Joseph persönlich gekannt haben, auch seine Großnichte aus Mannheim sowie zahlreiche offizielle Vertreter, auch der EU-Abgeordnete der Region.
In unserer Rede gedachten wir neben Joseph Wertheim auch der anderen gefallenen Résistancekämpfer, wir erzählten von der Situation in Deutschland heute, und wir zitierten aus der Erklärung vom Jugendkongress „Notstand der Republik“.
Wir besuchten die Gedenkstätte in Oradour sur Glane, die kleine Stadt, die von der SS nur einen Tag nach dem Verbrechen von Tulle komplett ausgelöscht wurde. Dabei ermordete die SS brutal 642 Menschen, darunter mehr als 200 Kinder. Wir konnten mit einem Zeitzeugen sprechen, der das Massaker überlebte, weil er an diesem Tag nicht in der Schule in Oradour war. Es war ein erschütternder Besuch, wir verspürten Trauer, Unverständnis und Wut, aber dadurch auch die Bestätigung, unseren Kampf in Deutschland weiterzuführen. Ein besonderer Umstand war, dass genau am Tag unseres Besuchs die Meldung vom Tod des Kriegsverbrechers Heinz Barth in der Zeitung stand. Barth war als SS-Mann beteiligt am Massaker von Oradour, wurde in den 80er Jahren in der DDR inhaftiert und in der BRD 1997 wieder freigelassen.
Wir haben uns unseren Staat, in dem solche Kriegsverbrecher frei herumlaufen können, genauer angeschaut. An zwei Thementagen befassten wir uns mit dem Notstand der Republik und mit der EU-Verfassung.
Und außerdem...
...konnten wir jeden Abend ein anderes Land kennen lernen, sowohl kulinarisch als auch informativ, im wunderschönen See baden, Volleyball spielen, zusammen singen, die Gegend erforschen, eine abenteuerliche Wanderung zu beeindruckenden Wasserfällen machen, uns die Produktion von Wein und Käse anschauen, das „wahrscheinlich schönste Dorf Frankreichs“ besuchen, ...
Es hat uns allen sehr gut gefallen, wir haben viel gelernt, es gibt die Hoffnung auf ein baldiges Wiedersehen, und die Frage, ob es sich gelohnt hat, möchte ich beantworten mit einem klaren: OUI, bien sûr!